Seniorengruppe "Spätlese"
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Im Rahmen ihres Partnerschaftsbesuchs beim Evangelischen Kirchenkreis Saar-Ost hat eine fünfköpfige Delegation der anglikanischen Diözese Butare im Süden Ruandas mit ihren deutschen Partnern die Gedenkstätte an der Saarbrücker Neuen Bremm besucht. Dort betrieb die Gestapo In den Jahren 1943 und 1944 ein Gefangenenlager.
Die ruandische Delegation um Bischof Christophe Nshimyimana war sehr interessiert an der Geschichte und den Hintergründen des Lagers, denn auch in Ruanda, wo vor 30 Jahren ebenfalls ein Völkermord verübt wurde, ist die Erinnerungs- und Versöhnungsarbeit von besonderer gesellschaftlicher Relevanz.
Überrascht zeigten sich die afrikanischen Gäste vor allem davon, wie viele verschiedene Menschen aus völlig unterschiedlichen Gründen von den Nationalsozialisten gefoltert und ermordet wurden. „Es war uns bekannt, dass es einen Völkermord an Juden gab“, sagt Bischof Nshimyimana im Anschluss an die Führung. Doch hier habe er gelernt, dass auch ganz andere Opfergruppen betroffen waren. An der Neuen Bremm waren beispielsweise aufgrund auf der Nähe zur französischen Grenze viele Franzosen, aber auch Kriegsgefangene aus Osteuropa inhaftiert. In Ruanda verlief der Konflikt vor allem zwischen den Bevölkerungsgruppen der Hutu und der Tutsi, die Wurzeln reichen bis in die Kolonialzeit zurück.
Die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in dem afrikanischen Land waren also völlig andere. Dennoch gibt es Kooperationen in der Erinnerungsarbeit, worauf die beiden Referentinnen der deutsch-ruandischen Führung, Alisa Alić, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Trier, und Emilie Iliza, Ehrenamtliche in der Antidiskriminierungsarbeit, an der Neuen Bremm hinweisen. Denn es waren Deutschland und Ruanda, die im vergangenen Jahr eine Resolution zum Völkermord in Srebrenica (Bosnien) bei den Vereinten Nationen eingebracht haben. Für Alić, die aus Bosnien stammt, und die gebürtige Ruanderin Iliza ist die Führung auch eine Manifestation dieses Schulterschlusses.
Gemein haben die Länder auch, dass die Erinnerungs- und Gedenkarbeit mit großen, wenn auch unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert ist. Als anspruchsvoll sehen die Mitglieder der ruandischen Delegation etwa, dass 80 Jahre nach Kriegsende in Deutschland praktisch keine Zeitzeugen mehr am Leben sind, die aus erster Hand von den Geschehnissen im Dritten Reich erzählen könnten. Dieses Problem kennt man in Ruanda noch nicht, denn der Genozid, bei dem im Jahr 1994 in wenigen Monaten hunderttausende Menschen ermordet wurden, liegt noch nicht so lange zurück. Bereits in den 90er-Jahren wurde dort mit der Gedenkarbeit begonnen. Heute erinnern nach Angaben der Bundeszentrale für politische Bildung über 240 Gedenkstätten an den Völkermord von Ruanda. Im vergangenen Jahr wurde anlässlich der 30 Jahre eine Gedenkveranstaltung am Kigali Genocide Memorial veranstaltet.
Im Saarland dagegen geriet das Gestapolager Neue Bremm nach dem Zweiten Weltkrieg über Jahrzehnte in Vergessenheit, ehe durch die Initiative verschiedener Organisationen wie der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ und des Landesjugendrings das Gelände wiederentdeckt und schließlich als Gedenkstätte neu gestaltet wurde.
Um die Erinnerung zu erhalten, sei es notwendig, auch gegen Verleugnung der Vergangenheit anzukämpfen, ist Bischof Nshimyimana wichtig. Dieser Kampf sei eine Herausforderung in seinem Land. In Ruanda stehe die Leugnung des Völkermords unter Strafe, auch dahingehende Äußerungen in den Sozialen Medien könnten einfach gemeldet werden. Dies werde auch getan, so Nshimyimana, offenbart aber erst die Tragweite des Problems. Denn die ruandischen Gäste wissen: „Es gibt sehr, sehr viele Fälle von Verleugnung vor Gericht.“ Als berichtet wird, dass es in Deutschland in einzelnen politischen Kreisen auch Tendenzen gebe, den Nationalsozialismus zu relativieren oder Forderungen erhoben werden die Erinnerung daran auslaufen zu lassen, stimmt das den Bischof sichtlich nachdenklich.
Nshimyimanas Hoffnung ist, dass es gelinge, dass alle Menschen irgendwann „in Frieden und Einheit miteinander leben können“. Zu diesem Ziel tragen Erinnerungsarbeit und Partnerschaftsarbeit gleichermaßen bei,
Die ruandische Delegation wird noch bis Ende Mai im Saarland unterwegs sein, bevor es gestärkt mit neuen Eindrücken und Impulsen in die Heimat zurückgeht.
Hintergrund Partnerschaft Saar-Ost/Butare
Seit fast 40 Jahren besteht die Partnerschaft zwischen dem saarländischen Kirchenkreis Saar-Ost (vormals: Ottweiler) und der Diözese Butare der Anglikanischen Kirche in Ruanda. Über ein Vierteljahrhundert gibt es zudem das sogenannte „PAFO-Programm“, mit dem Menschen in Deutschland die Ausbildung von Schülerinnen und Schülern sowie Studierenden in Ruanda unterstützen können. Über 5.000 jungen Menschen konnte dank des Programms eine berufliche Perspektive geboten werden. Nähere Informationen und Bildmaterial zur Partnerschaft und weiteren laufenden Förderprogrammen gibt es im Internet unter www.kirchenkreissaarostbutare.de.